Menü X
X

Was der Wolf die Wirtschaft lehrt

undefined

 

 

Wir erinnern uns: Rotkäppchen schlendert ziemlich sorglos durch den Wald als sie den bösen Wolf trifft. Das offenherzige Kind erzählt dem Wolf, dass sie unterwegs ist zum Haus der kranken Großmutter um sie mit Kuchen und Wein zu überraschen. Angekommen, erwartet sie der Wolf in Großmutters Kleidern, der zuvor diese gefressen hat und nun auch Rotkäppchen mit Haut und Haaren verspeist. Der Jäger rettet allerdings beide aus dem Bauch des Wolfes, den er an deren Stelle mit Steinen befüllt,  an denen der Wolf stirbt.

 

Was ist das Grauen? Wohl weniger der Wolf als diese unglaublich idiotische Geschichte. Kaum vorstellbar, dass solche Schauer-Märchen immer noch in Kinderzimmern Platz im Buchregal finden und in Grundschulen besprochen werden. Absurd und grotesk. Denn das Märchen hat seinen Beitrag geleistet zum Verruf des Wolfes als wilde Bestie oder Werwolf. Oder einfach nur als dominantes und aggressives Alpha-Tier – immer gerne genommen, das Beispiel des nach Macht strebenden und hochrangigen Tieres, ständig auf der Lauer und in Pose, sich darzustellen als die Alleinherrscher über ein Rudel, welches sich dauerhaft unterzuordnen hat.

 

Klappe, Szenenwechel


Einmal tief durchatmen und dann ab in die neue Rolle. Nehmen wir an, Sie sind Wolf, kennen natürlich als belesenes Exemplar ihrer Gattung diese Schauermär und können kaum glauben, dass es eine andere Spezies gibt, die so etwas erfindet. Sie machen sich auf in wilde Regionen fernab ihrer Wälder auf eine – sagen wir Forschungsreise. Das Ziel: Menschen studieren. Bald erreichen Sie sie: die prächtigen Häuser, umschwirrt von immerzu eiligen Menschen, die hinein und hinaus strömen. Sie machen sich auf, betreten eines der Häuser. Um sie herum wild gestikulierende Menschen, viele Gänge und Türen. Sie suchen sich neugierig Ihren Weg durch die Menge, denn ebenso wie der Wolf im Märchen als Großmutter durchging, sind Sie – sagen wir – ein verkleideter Manager-Wolf, den niemand als solchen erkennt.

 

Schon beim Betreten des ersten Büros ahnen Sie: Es ist eine wichtige Firma, große und prächtige Räume. Hier werden große Geschäfte gemacht, bedeutende Geschäfte von bedeutenden Menschen. Alle schauen sehr ernst. Vier bis fünf Manager betreten den Raum, zunächst wird gesprochen, jeder spricht, mal der eine, mal der andere. Aber dann wird es zunehmend lauter, einer springt auf, stürzt auf einen anderen zu. Der ausgestreckte Zeigefinger bohrt sich vor einem anderen wie eine Waffe in der Luft schwebend fast in seinen Bauch. Unendliche Minuten vergehen, unzählige laute Worte fliegen durch den Raum, irgendwo hin, keiner weiß genau wo sie landen sollen und ob überhaupt, denn inzwischen mischen auch die anderen mit. Mehr Worte, mehr Gesten, dann Ruhe. Ratlosigkeit. Keiner weiß weiter. Bis einer aufsteht, den Raum verlässt – mit lauter theatralischer letzter Geste. Die anderen folgen – eher langsam, aber ebenso ratlos.


Verwundert setzen Sie Ihren Weg fort ins nächste Büro. Eine freundliche Dame sortiert einige Papiere, nimmt diese mit in ein anderes Büro. Ein  Mann telefoniert, nein, er legt den Hörer auf, schaut intensiv auf einige Akten. Er bemerkt die Dame nicht, die ihn freundlich anspricht. Eine gute Nachricht habe sie von einem Kunden und lächelt. Er blickt nicht auf, nickt kurz und nimmt mit einem knappen: „Ja, ja..“ ihre Papiere entgegen, die er sofort auf die Seite legt. Sie steht dort, ihr Lächeln etwas verhaltener, dreht sich um und verlässt den Raum. Sie hat auch noch anderes zu erledigen, beipielsweise möchte sie endlich den netten Kunden anrufen, der noch eine interessante Stelle zu vergeben hat. Ihr Lächeln kommt wieder.


Als Manager-Wolf kennen Sie sich aus. Sie haben ein Rudel zu managen. Nicht weniger als elf Mitglieder. Eine Menge Verantwortung, gilt es doch jeden Tag Nahrung für alle zu finden, den Tagesablauf zu organisieren. Sie verstehen nicht, was hier passiert. Sie sind verwirrt.

 

Verantwortung oder Verwirrung?


Zack! Zwei Worte, die sitzen. Verantwortung und Verwirrung. Haben wir als Menschen nicht ebenso Verantwortung gegenüber unserem „Rudel“? Da sind Partner, Familie, Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kinder und auch wir selbst.

 

Wie gehen wir mit Verantwortung um? Der Wolf hat es gerade gesehen. Wir verwirren! Darin sind wir geradezu perfekt. Wir meinen nicht, was wir sagen. Wir verhalten uns nicht so, wie wir wollen. Wir reden, wo wir zuhören sollten – und wundern uns über Unverständnis und Unproduktivität, über Demotivation und Burnout. Der Wolf hat es soeben erlebt und fragt sich: „Wie versteht hier jeder, was er tun soll? Wie schaffen es die Menschen, sich zu organisieren, produktiv zu sein und vor allem – alle motiviert zu halten?“

 

Management-Kompetenz im Wald


Unser Manager-Wolf hat eine Idee. Er lädt den Herrn mit dem ausgestreckten Zeigefinger und die Dame mit der guten Nachricht ein in sein Territorium. Die Begrüßung ist neugierig herzlich. Gelassen steht die Wölfin, gleichberechtigte Partnerin unseres Manager-Wolfes, vor dem Rest des Rudels, wo sich gerade einige jüngere Mitglieder ein kleines Gerangel liefern. Der Blick der Wölfin geht in die Runde und spontan ist Ruhe. Neugierig kommen alle hervor und begrüßen die Gäste. Alle versammeln sich, denn der Manager-Wolf hat einiges zu berichten. Der Mann und die Frau hören mit, sind erstaunt über das Miteinander. Man spürt: es wird Respekt eingefordert, allerdings wird niemand laut, Blicke werden ausgetauscht, kurze Gesten weisen die Allerjüngsten zurecht – erst nach einer Weile, in der das wilde Spiel geduldet wurde. Alle haben und kennen ihre Aufgaben und Rollen und wirken kompetent. Das Führungspaar genießt Vertrauen. Die Aufmerksamkeit ruht nun auf dem Heimkehrer und den völlig erstaunten Gästen. Die Wölfin holt etwas versteckte Beute hervor und lässt die Jüngsten vor, sich daran zu schaffen zu machen. Sie wacht ruhig liegend daneben. Die Beute zieht einen Koyoten an, der sich langsam dem Territorium nähert. Ein Kopfwink der Wölfin weist einige Rudelmitglieder an sich der Sache anzunehmen. Sie springen auf, blitzschnell und sind genauso schnell wieder zurück. Sogleich liegen sie wieder ruhig bei den anderen. Niemand bricht in wilde Hektik aus. Die Gäste stauen. Hatten sie doch strenge Machtkämpfe erwartet. Wildes Gerangel um Status und die Führung. Und ein zähnefletschendes Alphatier, welches ständig beobachtet wird, nach einer Gelegenheit suchend, es vom Thron zu stoßen. Beobachtet wird es, ja, allerdings eher um zu erkennen, welche Unterstützung es braucht. Es strahlt eines aus: Souveränität, die als Sicherheit ankommt, weniger Überlegenheit. Ein gewisser Stolz ist dabei. Der Laden läuft! Und alle ziehen mit.

 

Sprachlose Menschen


Der Mann und die Frau sind verstummt. Sprachlose Menschen sind eher selten. Hier sind sie es. Erinnern sie sich doch an ihre Firma mit den vielen lauten Diskussionen. Mit den Missverständnissen und nicht eingehaltenen Zusagen. Die Frau denkt an ihren letzten Termin mit dem Chef. Sie erinnern sich: die gute Nachricht und die fehlende Reaktion. Der Mann mit dem ausgestreckten Zeigefinger fragt sich, was aus dem verpatzten Termin geworden ist, an dem eigentlich eine Entscheidung getroffen werden sollte. Der Termin ist verschoben, auf unbestimmte Zeit. Der Kunde ist weg. Man wurde sich nicht einig. Alles zu unklar. Bis auf weiteres hat man die Kontakte still gelegt. Derzeit ist man auf der Suche nach dem Schuldigen – nicht nach neuen Kunden. Ein Handy klingelt. Der Mann mit dem ausgestreckten Zeigefinger bekommt einen Anruf. Sein Auftritt war stark, sagen sie, er solle kommen und noch mehr Verantwortung übernehmen. Aber er zögert. Er sieht die Wölfe und weiß jetzt, dass seine Inszenierung völlig unnötig war. Der Kunde könnte jetzt schon auf ihrer Seite sein, und er ein gutes Team mit seinem Kontrahenten, den er ausschalten wollte. Dies ist ihm gelungen. Zumindest dies – auf Kosten des gemeinsamen Erfolges.

 

Die Frau sieht die Wölfin und lächelt wie in ihrem Büro. Sie meldet sich bei dem Kunden mit dem Jobangebot. Er möchte sie haben für eine neue Aufgabe, das Team stehe noch nicht fest, aber sie sei ja kompetent und kreativ, habe viele Ideen eingebracht in die gemeinsamen Projekte der letzten Jahre und genug Erfahrung, die richtigen Leute auszuwählen. Sie möchte es angehen wie die Wölfin. Gelassen und souverän! Man kann sagen: Cool! Sie möchte zu ihrem Chef gehen und ihm die Nachricht überbringen. Sie wird sich in ihrer neuen Aufgabe mit ganzer Kraft engagieren und sie wird all das Wissen, ihre Erfahrung und ihr Lächeln mitnehmen. Ach nein, sie schreibt es ihm. Denn sicher wird er keine Zeit haben für eine Reaktion. Denn sie wird ihm fehlen, da er ja meist auf ihr Verhandlungsgeschick und ihre Kompetenz gebaut hat. Gesagt hat er es ihr nie, nur wenn etwas schief lief, hat es etwas gesagt, meist laut und ohne sie anzuschauen. Keine Zeit für Sentimentalitäten ist seine Devise. Die Zeiten sind hart. Nun geht sie, und er wird sentimental und dann wütend, denn er weiß einfach nicht, wie er die Kunden, die sie immer so kompetent und freundlich betreut hat, ohne sie erreichen soll.

 

Wölfische Elite-Ausbildung


Die beiden Menschen verabschieden sich, haben etwas gelernt und mitgenommen von den Wölfen. Die Wölfe ebenso. Es ist Abend geworden. Das „Alphapaar“ schaut sich an und blickt dann in die Ferne auf die beleuchteten prächtigen Häuser der Menschen. Sagen müssen sie nichts, denn sie wissen ohne Worte, dass alles richtig ist. Es war ein guter Tag. Gemeinsam haben sie gejagt und Beute gefangen. Die Jüngsten durften sich zuerst richtig satt essen. Für alle gab es genug. Die erste Generation ist bald alt genug, das Rudel zu verlassen. Genossen haben sie eine Elite-Ausbildung in sozialer Kompetenz, Führungsverhalten, Gemeinschaftssinn, Verantwortung und Selbstdisziplin. Aber auch in Freundschaft, Mitgefühl und Loyalität. Dies ist ihr Kapital, das sie mitnehmen auf die Suche nach geeigneten Partnern zur Gründung ihres eigenen Rudels. Souverän werden sie es managen – wie ihre Vorbilder.

X

Bitte geben Sie hier Ihren Namen und Ihre E-Mail-Adresse ein und wir senden Ihnen das gewünschte PDF an die angegebene Adresse.

Senden ...
Gesendet

Hinweis: Ihre Daten werden niemals an Dritte weitergegeben. Ab und zu erhalten Sie von uns aktuelle Informationen. Unsere E-Mails können Sie selbstverständlich jederzeit abbestellen.